Der Text stammt aus der Informationsbroschüre „Psychische Gesundheit – was ist das?“, Seite 11 bis 15, herausgegeben im Jahr 2009 von der Autonomen Provinz Bozen, Amt für Gesundheitssprengel (2. überarbeitete Auflage).

Depression kann jeden treffen…
Jeder Mensch leidet mindestens ein Mal in seinem Leben an einem depressiven Zustand. 15 bis 20 Prozent aller Menschen entwickeln im Lauf ihres Lebens eine behandlungsbedürftige Depression. Im Verlauf eines Jahres erkranken etwas mehr als 10 Prozent der Bevölkerung. Depressionen sind damit nach Angststörungen die zweithäufigste psychische Störung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass Depressionen bis zum Jahr 2030 die wichtigste Volkskrankheit weltweit werden. Depressionen treten doppelt so häufig bei Frauen wie bei Männern auf. Bei Kindern sind Depressionen ab dem neunten Lebensjahr beschrieben. Oft geht der Depression eine besondere Belastung oder eine anhaltende Überforderung voraus. Sie kann aber auch wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommen. Menschen, die an Depressionen leiden, werden mit ihren Beschwerden häufig nicht ernst genommen („Der soll sich zusammenreißen“). In der Öffentlichkeit ist über Depression wenig bekannt. Menschen, die an Depressionen leiden, gehen ein 20-mal höheres Risiko ein, sich das Leben zu nehmen, als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Depression ist nicht Ausdruck persönlichen Versagens, sondern eine Krankheit wie hoher Blutdruck oder Zuckerkrankheit. Sie kann jeden treffen, unabhängig von Alter, Beruf und sozialem Stand. Die Depression ist keine „Einbildung“, sondern eine häufige, manchmal lebensbedrohliche Erkrankung, die heute sehr gut behandelt werden kann.

Zeichen der Depression

3 Hauptzeichen:

  • gedrückte Stimmung, Ängste, Sorgen, Verzweiflung;
  • Verlust von Freude und Interessen: früher angenehme Tätigkeiten, auch Hobbys und Sex, werden mühsam und unerträglich;
  • Kraft- oder Energielosigkeit; oft am Vormittag am stärksten, mit Besserung gegen Abend.

7 Zusatzzeichen:

  • Konzentrationsstörungen;
  • Minderwertigkeitsgefühl, vermindertes Selbstvertrauen;
  • Gefühle der Schuld und Wertlosigkeit;
  • Zukunftsängste;
  • Schlafstörungen: Einschlafschwierigkeiten, unterbrochener Schlaf oder frühes Erwachen;
  • Appetitverlust und Gewichtsabnahme, oder (sehr selten) stark vermehrter Appetit und Gewichtszunahme;
  • Lebensüberdruss, Todeswunsch, Gedanken an Selbsttötung, Selbstverletzungen oder Selbsttötungsversuche.

Wenn mindestens 14 Tage lang zumindest zwei Hauptzeichen und zwei Zusatzzeichen vorhanden sind, spricht man von Depression.

Körperliche Zeichen können sein:

  • Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Kribbeln, Schmerzen oder Gefühllosigkeit in anderen Körperteilen;
  • Doppelbilder, verschwommenes Sehen, Haarausfall;
  • Druck auf der Brust, schwere Atmung;
  • Mundtrockenheit, Kloß im Hals, Verdauungsbeschwerden, Übelkeit.

Wegen ihrer körperlichen Auswirkungen kann die Depression eine Körperkrankheit vortäuschen. Die Depression ist eine Störung der Stimmung und der inneren Energie. Sie kann eine Körperkrankheit vortäuschen.

Die Depression hat viele Gesichter
Nicht immer muss die depressive Stimmung im Vordergrund stehen: in manchen Fällen überwiegt Energielosigkeit, in anderen quälende innere Unruhe. Manche Menschen geraten besonders leicht im Herbst und im Frühjahr in depressive Bedrücktheit, andere bevorzugt im Winter.

Man unterscheidet drei Arten von Depression, die zum Teil unterschiedlich behandelt werden:
1) Die depressive Episode: Sie tritt oft ohne oder infolge geringer Auslöser auf, manchmal wie ein Blitz aus heiterem Himmel, auf. Sie dauert unbehandelt durchschnittlich 6 Monate. Die Betroffenen gesunden in der Folge vollständig. Bei mehr als der Hälfte von ihnen kehren später im Leben depressive Episoden wieder, man spricht dann von wiederkehrender (rezidivierender) Depression.
2) Die bipolare affektive Störung: siehe Artikel „Manie – Was ist das?“
3) Die Dysthymie: siehe Artikel „Dysthymie – Was ist das?“

Wer hilft?
Der Arzt für Allgemeinmedizin sollte aufgesucht werden, wenn man im Zweifel ist, ob man an einer Depression leidet. Lieber ein Mal zu viel, als ein Mal zu wenig. Der Psychiater soll beigezogen werden, wenn die Zweifel mit Hilfe des Hausarztes nicht ausgeräumt werden können. Wenn schwere Depressionen vorliegen oder wenn Suizidgefahr besteht, soll man sich direkt an einen Psychiater wenden. Psychotherapeuten (Psychologen oder Psychiater) sind vor allem bei leichteren und mittelschweren Depressionen, die mit Lebens- oder Beziehungsproblemen in Zusammenhang stehen, die besten Ansprechpartner. Selbsthilfegruppen sind Stütze und schaffen Gemeinschaft, geteiltes Leid ist halbes Leid. Es ist keine Schande, Hilfe zu suchen. Dennoch braucht der erste Schritt Mut und Überwindung. Angehörige und Freunde können Betroffenen dabei beistehen.

Was hilft?
Mit Medikamenten (Antidepressiva) und Psychotherapie stehen hoch wirksame Behandlungsmethoden zur Verfügung. Leider kommen sie zu selten zum Einsatz, weil Depressionen noch immer häufig übersehen werden. In einer Psychotherapie erwirbt der Betroffene, Strategien, um seine Probleme anders zu sehen und neu mit ihnen umzugehen. Eine wichtige Rolle spielen dabei das Erleben positiver Erfahrungen und das Durchbrechen von Grübeleien und Sorgen. Es gibt viele verschiedene Psychotherapierichtungen. Manche legen Wert auf das Erforschen der Kindheit, andere arbeiten lieber an der aktuellen Situation, mit Verhaltenstraining, Entspannungstechniken, Körperempfindungen. Wieder andere zählen auf die Teilnahme der Familie oder werden in Gruppen durchgeführt. Man weiß heute, dass die Art der Psychotherapie nicht so entscheidend für das Ergebnis ist. Wesentlich ist die Beziehung, die der Betroffene (Klient) und der Therapeut aufbauen – ein Klima des Vertrauens und des Respekts. Was in einer Psychotherapie getan und gesagt wird, untersteht der Schweigepflicht. Bei 70 Prozent der leichteren Depressionen ist die Psychotherapie erfolgreich.

In der Psychotherapie lernt der Betroffene, sich selbst besser zu akzeptieren und erkennt, dass er die anderen nicht ändern kann. Den einzigen Mensch, den er ändern kann, ist er selbst.

Antidepressive Medikamente müssen regelmäßig eingenommen werden. Ihre Wirkung, (Wiederkehr der Energie und Aufhellung der Stimmung) beginnt erst nach zwei bis drei Wochen. Bei jeder Depression, gleich, welche Ursachen sie hat, wird der Stoffwechsel im Gehirn verändert. In bestimmten Zentren des Gehirns kommt es zu einem Mangel an Botenstoffen, sodass positive, anregende Signale schlechter übertragen werden können. Das antidepressive Medikament gleicht den Mangel an Botenstoffen wieder aus und verbessert damit die Informationsübertragung. Um Rückfälle zu vermeiden, ist meist eine monatelange medikamentöse Therapie notwendig. Manche Betroffene nehmen Medikamente, die geholfen haben, zur Absicherung oder Vorbeugung über Jahre weiter. Antidepressiva machen nicht abhängig, sie verändern auch nicht die Persönlichkeit. Bei 70 Prozent der schwereren Depressionen sind Antidepressiva erfolgreich. Auch Schlafentzug, Lichttherapie und Elektrokonvulsionstherapie helfen in besonderen Fällen allein oder mit anderen Maßnahmen kombiniert gegen Depressionen.
Depression ist kein unabwendbares Schicksal. Sie kann heute in aller Regel erfolgreich behandelt werden.